Ablauf einer Dinner-Party 1859

Bild: Autor (UCR-Ball 2000)

... aus der Erinnerung protokolliert*
 

Bekleidung

  • Die Gäste erschienen in festlicher, dem Anlass angemessener Kleidung.
  • Da ein patriotisches Ereignis gefeiert wurde, trug jeder aus diesem Anlass eine Krokarde, die bereits mit der Einladung verschickt worden war, auf der rechten Brustseite.

Begrüssung

  • Eintreten und Begrüssung der Gäste erfolgte üblicherweise paarweise (seltener ein einzelner Herr). Damen erschienen immer in der Begleitung eines Herren. Die Paare stellten sich im Vorraum in einer Reihe auf.
  • Der Herr eines jeden Paares überreichte dem Master of Ceremonies (?) die Einladungskarte, von der dieser dann den Namen laut und für alle im Saal vernehmlich verlass. Bei verheirateten Paaren erfolgte die Ankündigung als Mister und Misses <Vor- und Nachnahme des Mannes>.
  • Danach schritt das Paar in den Saal und begrüsste zuerst den Gastgeber. Die Begrüssung erfolgte durch eine angedeutete Verbeugung bei den Herren und einen angedeuteten Knicks bei den Damen. Eine Begrüssung per Handschlag erfolgte nur in den seltensten Fällen (wenn z.B. Gastgeber und Gast sehr enge Freunde waren) und dann auch nur zwischen dem Gastgeber und dem Herren des Paares (der reagierte am besten nur wenn der Gastgeber ihm die Hand entgegenstreckte).
  • Hieran schloss sich ein kurzer Plausch mit dem Gastgeber und den anderen Personen in seiner Begleitung an. Der Plausch wurde meist durch das Reichen eines Getränkes (Sekt, Orangensaft) auf einem Tablett durch eine bereitstehende Bedienung beendet und das Paar nahm mit seinen Gläsern, aus denen es noch nicht trank, anschliessend im Raum bei den anderen Paaren Aufstellung.
  • Erst jetzt wurde das nächste Paar angekündigt, ging auf den Gastgeber zu und die oben beschriebene Prozedur wiederholte sich.
  • Da eine Musikgruppe anwesend war, erklangen während der Begrüssung Musik in einer Lautstärke, die das Gespräch nicht störte.
  • Nachdem alle Gäste eingetreten waren und jeder ein Glas in der Hand hatte, prostete der Gastgeber allen Gästen gemeinsam zu, wünschte einen vergnüglichen Abend und forderte alle auf am Tisch Platz zu nehmen.
  • Beim Platznehmen wurde die Tischordnung genau beachtet, insbesondere an der Seite des Tisches, wo Gastgeber und ausgesuchte Gäste das Präsidium bildeten. Die Herren geleiteten Ihre Damen zu den vorgesehenen Plätzen, halfen Ihnen beim Platz nehmen (Stuhl vor und zurück schieben) und setzen sich selbst erst nachdem alle Damen am Tisch Platz genommen hatten.

Etikette während der gesamten Dinner-Party

  • Sobald sich eine Dame am Tisch erhob, unterbrachen alle Herren am Tisch ihr Gespräch und erhoben sich ebenfalls. Sie setzen sich erst wieder, wenn die Dame, geleitet von ihrem Begleiter, den Tisch verlassen hatte.
  • Wurde eine Dame an den Tisch geleitet, unterbrachen alle Herren am Tisch ebenfalls ihr Gespräch und erhoben sich. Sie setzen sich auch erst dann wieder, wenn die Dame unterstützt durch ihrem Begleiter am Tisch Platz genommen hatte.
  • Wenn ein Herr allein den Tisch verlassen wollte, musste er seine Dame in die Obhut eines anderen Herren am Tisch geben, der sich dann in der Abwesenheit des Herren um die Belange der Dame kümmern musste.
  • Es wurde während der gesamten Dinner-Party im Saal selbstverständlich nicht geraucht (Rauchen in Anwesenheit von Damen galt als sehr schwerer Verstoss gegen die Etikette!) und wenn jemand dazu das Bedürfnis verspürte ging er unter Beachtung der hier genannten Etikette in ein dazu ausgewiesenes Raucherzimmer.

Trinksprüche (Toasts)

Nachdem die gesamte Gesellschaft Platz genommen hatten, wurden Trinksprüche ausgebracht. Dies geschah immer mit folgendem Ablauf:

  • Der Herr, der einen Trinkspruch ausbringen wollte, rief den Gastgeber an mit den Worten: Herr Präsident, ich möchte einen Toast auf <Namen> ausbringen!
  • Der Präsident/Gastgeber antwortete: Meine Herren, bitte erheben Sie sich und ihr Glas. Wir wollen einen Toast auf <Namen> ausbringen!
  • Nachdem sich alle Herren erhoben hatten und ihre gefüllten Gläser in Brusthöhe vor sich hielten, sagte der Herr, der den Trinkspruch ausbringen wollte: Auf <Namen> ! Der Präsident wiederholte diesen Trinkspruch und alle Herren tranken gleichzeitig mit dem Präsidenten ihr Glas in einem Zug leer (es nicht vollständig zu leeren, galt als schwerer Affront). Soweit ich mich erinnere, war es den Damen freigestellt mit zu trinken, sie blieben aber auf jeden Fall am Tisch sitzen. Anschliessend hielten alle Herren das leere Glas wieder vor sich auf Brusthöhe und warteten auf den Präsidenten.
  • Der Präsident sagte dann: Meine Herren nehmen sie bitte wieder Platz! Erst jetzt durften die leeren Gläser abgesetzt werden und jeder Herr nahm wieder Platz am Tisch. Anschliessend wurden die Gläser sofort wieder gefüllt, wobei einige darauf achteten ihre Gläser nicht zu voll zu füllen - ein weiser Entschluss, denn es wurden an diesem Abend insgesamt ca. 10 Trinksprüche ausgebracht.
  • Die Reihenfolge der Trinksprüche folgte zu Beginn der Regel, dass der erste Trinkspruch immer auf den gerade amtierenden Präsidenten der USA ausgebracht wurde (1859 war dies wohl James Buchanan). Hierbei erhoben sich dann auch ausnahmsweise die Damen vom Tisch und brachten diesen Toast mit aus. Die nächsten Trinksprüche galten dann dem Bürgermeister der Stadt (hier New Orleans), einem Senator, der Garnison und der Miliz der Stadt, wobei sich die Damen dann nicht mehr erheben mussten.

Dinner

  • Nach dem Ausbringen der Trinksprüche, eröffnete der Präsident/Gastgeber das Dinner, welches üblicherweise durch Bedienungen Tisch für Tisch hätte serviert werden sollen.
  • Da die Verhältnisse aber an diesem Abend leider nicht danach waren, wurde eine andere Art des Dinners gewählt und zwar die des Büfetts. Der Präsident bat daher alle anwesenden Gäste sich doch zum Büfett im Nachbarraum zu begeben und sich dort von den, auf der Menükarte beschriebenen Vor-, Haupt- und Nachspeisen nach eigenem Geschmack zu nehmen. Damit es hierbei nicht zu einem allzu grossen Gedränge kam geschah dies dann Tisch für Tisch und unter peinlicher Beachtung der oben beschrieben Etikette.
  • Das Dinner wurde dann bei entsprechender, leichter Konversation und unter peinlicher Beachtung der oben beschrieben Etikette von allen Gästen zu sich genommen.
  • Da eine Musikgruppe anwesend war, erklang auch zum Dinner angenehme Musik in einer Lautstärke, die die Tischkonversation keineswegs störte.

Salongespräch

  • Nach Abschluss des Dinners, forderte der Präsident/Gastgeber alle anwesenden Gäste auf sich zu erheben und Ihn und die Gastgeberin zu einem Gespräch in die Nebensalons zu begleiten.
  • Man ging dann paarweise in Richtung der beiden Salons, wobei die Herren ihre Damen bis zum Damen-Salon begleiteten, um sich dann erst selbst in den Herren-Salon zu begeben.
  • Im Salon der Herren fanden sich erlesene Zigarren nebst Streichhölzern zur freien Verfügung und der Gastgeber reichte dazu Whisky, Brandy oder andere erlesene geistige Getränke, bei deren Konsum dann ein politisches Gespräch stattfand.
  • Zu den Verhältnissen im Salon der Damen kann ich nicht viel sagen, jedoch vermute ich, dass hier zu erlesenem Gebäck und Süssigkeiten auch Liköre, Wein oder Champagner gereicht wurden. Bei der Konversation wird es sich vermutlich um die neueste Pariser Mode und kulturelle Ereignisse mit lokalem Bezug gehandelt haben.
  • Nach einer angemessenen Zeit (ca. 30 - 45 Minuten) wurden die Salongespräche durch den Gastgeber derart beendet, dass er den Master of Ceremonies (?) bat bei den Damen nachzufragen, ob jetzt das Tanzvergnügen konveniere. Da dies bejaht wurde, fanden sich die Herren vor dem Salon der Damen ein und der Master of Ceremonies (?) rief die Damen einzeln aus dem Salon auf und gab sie in die Obhut ihres Herren, der mit ihr dann in Richtung Ballsaal ging.

Tanzvergnügen

  • Vor dem Betreten des Ballsaals erhielten alle Damen eine Tanzkarte und alle Herren einen Schreibstift, soweit sie nicht schon im Besitz eines solchen waren. Der Ballsaal war während der Salongespräche in der Zwischenzeit von den Bedienungen für das Tanzvergnügen schon entsprechend hergerichtet worden.
  • Die Paare nahmen wieder im Ballsaal Platz und lauschten den einstimmenden Klängen der Musikgruppe.
  • Nachdem alle Gäste sich im Ballsaal eingefunden hatten, eröffnete der Präsident/Gastgeber das Tanzvergnügen und den Herren wurde erlaubt die Damen zum Tanz aufzufordern bzw. sich in ihre Tanzkarten eintragen zu dürfen - der erste Tanz wurde aber immer mit der eigenen Begleiterin absolviert (Etikette!)
  • Der guten Sitte entsprechend richtete der Herr die Frage nach einem Tanz nicht direkt an die entsprechende Dame sondern an den sie begleitenden Herren. Dieser entschied nach einen kurzen Seitenblick zu seiner Dame (und deren kaum merkliche Reaktion auf diese Anfrage), ob dem Begehren des Herren stattgegeben werden konnte oder nicht. Bei einer positiven Resonanz durfte der fragende Herr dann die Dame zum Tanz begleiten oder sich für einen späteren Tanz in ihre Tanzkarte eintragen. Nach dem Tanz brachte er die Dame wieder in die Obhut ihres Herren zurück und bedankte sich für die grosse Ehre des gemeinsamen Tanzes - dieser Förmlichkeiten zur Aufnahme eines Tanzes bedurfte es bei Paaren, die zusammen gekommen waren, vermutlich nicht.
  • Wenn ein Herr das Tanzvergnügen kurzfristig verlassen wollte, musste er auch hier seine Dame in die Obhut eines anderen Herren geben, der sich in seiner Abwesenheit um die Belange der Dame kümmern musste. Ebenso galt auch hier die peinliche Beachtung der oben beschrieben Etikette (die Herren unterbrechen augenblicklich ihr Gespräch und erheben sich, sobald Damen in ihrer näheren Umgebung aufstehen oder erscheinen).
  • Mochte eine Dame das Tanzvergnügen kurzfristig verlassen (z.B. Nase pudern), musste ihr Herr (oder der Herr in dessen Obhut sie zurückgelassen wurde) sie hierbei begleiten und (z.B. vor dem Ort des Nasepuderns) warten bis die Dame wieder herauskam und sie dann zurückbegleiten.

Verabschiedung

  • Der Präsident/Gastgeber beendete das Tanzvergnügen, in dem er allen Gästen den Beginn des letzten Tanzes ankündigte.
  • Anschliessend stellten sich die Gäste wieder paarweise hintereinander auf, so wie bei der Begrüssung, und verabschiedeten sich mit ein paar Worten des Dankes für dieses grossartige Vergnügen vom Gastgeber (und dessen Begleitung) unter Beibehaltung der gleichen Etikette wie bei der Begrüssung (oder gab es eine kollektive Verabschiedung durch den Gastgeber, abgeschlossen durch den Applaus der Gäste?).
  • Die Gäste begaben sich dann zur Garderobe, erhielten dort ihre Mäntel und traten den Heimweg an.
  • Einige Paare sahen sich gezwungen, die Diner-Party vorzeitig verlassen zu müssen. Die Verabschiedung vom Gastgeber und dessen Begleitung erfolgte dann in einem günstigen Moment mit ein paar Worten des Dankes und der Betrübnis darüber diesem grossartigen Vergnügen leider nicht bis zum Ende beiwohnen zu können.

*Anmerkung: Nach einer eindringlichen Aufforderung durch die Damen des Festkomitees habe ich  hier mal den Ablauf einer Diner-Party (wie ich sie mal als 'Re-enactment' miterlebt habe) aus dem Gedächtnis protokolliert. Sollten sich deshalb noch grössere Ungereimtheiten im Ablauf befinden, bitte ich mir dies mitzuteilen (zusammen mit den Quellen in denen der korrekte Ablauf beschrieben ist). Aber, solange noch nichts besseres vorliegt, hoffe ich, dass die Damen des Festkomitees mit dieser Beschreibung für ihre Planungen etwas anfangen können und vielleicht auch mal ein ähnlich gutes Dinner-Party-'Re-enactment' auf die Beine stellen werden (Anm.: die Auswahl des Jahres 1859 ist dabei ganz gelungen, denn dies würde Armee-Blau und Miliz-Grau einträchtig nebeneinander zulassen).  - Uli, Jan 2003

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