Einige Regeln der Etiquette

Bild: Ball-Room Hand Book, 1858

Eine Zusammenstellung*

Hinweise zur Damenbekleidung

Ballkleid: Damals war die Kleidung von schlichter Eleganz. Den besten Effekt erreicht man daher mit wenig Aufwand und den einfachsten Mitteln. Der Schnitt des Kleides ist am besten der Figur angepasst und die Farbe sollte möglichst auf den jeweiligen Teint abgestimmt sein.

Handschuhe: (besonders) fein gehäkelte und fingerlose Handschuhe in der Farbe weiß, aber auch farbig ist möglich - oder man verwendet einen armlangen Abendhandschuh.

Fächer: Größe und Form jeweils beliebig (aber nur aus: Papier, Stroh, Holz, Federn, Knochen/Elfenbein oder Stoff).

Schuhe: zu bevorzugen sind flache 'Ballerinas' oder Gymnastikschuhe aus Stoff, jeweils mit Ledersohle.

Hinweise zur Herrenkleidung

Gala-Anzug (Farben jeweils dunkel bis schwarz für Anzug und Krawatte, strahlendes weiß beim Hemd, Weste entweder dunkel/schwarz oder weiß) oder Gala-Uniform (mit Koppel ohne Anhänge, evtl. kann auch der 'Sash' dazu getragen werden).

Weiße Handschuhe und schwarze (Halb-)Schuhe.

Unterscheide in der Etikette

Die Regeln der Etikette variierten sehr stark - je nach Land und politischem System. In Länder mit Monarchien orientierten sie sich meisten an den jeweils geltenden höfischen Regeln. Meist betreffen diese Variationen jedoch nur Details, wie z.B. der Handkuss bei der Vorstellung oder die Art und Weise in der jemand vorgestellt wurde. In einem sind sich aber alle damaligen Etikette-Bücher einig: ..., denn trotz unterschiedlicher Details wird man die 'wahren Gentlemen & Ladies' immer an ihrem kultivierten Benehmen erkennen.

Auch in Nordamerika gab es damals Unterschiede in der jeweiligen Etikette und zwar zwischen öffentlichem und privatem Ball sowie zwischen Land- und Stadtbevölkerung.

Regeln der Vorstellung

Die 'Vorstellung' oder das 'Sich-Miteinander-Bekanntmachen' war früher ein absolutes Muss, wenn man eine Dame zum Tanzen auffordern wollte und/oder eine Unterhaltung mit ihr führen wollte. Mit nicht vorgestellten Personen 'verkehrte' man damals einfach nicht.

Es wurden hierbei aber nur die Herren den Damen vorgestellt - und nicht umgekehrt!

In der Stadt oder auf öffentlichen Bällen erfolgte diese 'Vorstellung' durch den Gastgeber (oder dessen Gattin) oder man selbst stellte der Dame in seiner Begleitung seine eigenen Bekannten und Freunde vor (bitte dabei beachten, dass nur die Herren den Damen vorgestellt wurden - ALSO: 'Darf ich vorstellen - Mister ABC.' - UND NICHT: 'Darf ich vorstellen - Miss ABC.').

Auf dem Land oder auf einem privaten Ball war es dagegen früher durchaus statthaft, dass ein Herr sich auch einmal selbst einer Dame vorzustellen konnte (im Zweifelsfall ließ man sich aber besser durch den Gastgeber offiziell vorstellen).

In der Stadt oder auf öffentlichen Bällen war es damals unüblich eine - obwohl bereits schon vorgestellte - Dame direkt zum Tanz aufzufordern (oder sich in ihre Tanzkarte einzutragen). Der Herr musste diese Anfrage immer an den Begleiter der betreffenden Dame richten, der seine Bitte dann an die Dame weitergab und dann auch deren Antwort an den fragenden Herrn übermittelte.

Auf dem Land oder auf einem privaten Ball dagegen konnte man - nach erfolgter Vorstellung - die Dame auch direkt zum Tanz auffordern (oder sich in ihre Tanzkarte eintragen).

Bei öffentlichen Bällen übernahm häufig der Tanzmeister (auch als 'Floor Manager' oder 'Master of Ceremonies' bezeichnet) die Rolle des Gastgebers bei privaten Veranstaltungen. Auf Anfrage von Herren hatte er das Recht die obligatorische Vorstellung durchzuführen, damit die betreffende Dame gefragt werden konnte, ob sie mit dem Herren tanzen möchte. Nach dem Tanz durfte der Herr sich dann aber nicht ohne weiteres neben diese Dame setzen und eine Unterhaltung beginnen, denn im allgemeinen war mit dem Tanz auch die 'flüchtige Bekanntschaft' mit der Dame beendet. Korrekterweise musste sich der Herr daher für weitere Tänze immer wieder vom Tanzmeister 'vermitteln' lassen (aber ob das wirklich immer so ablief?).

Wenn ein Herr mehrere Damen zu betreuen hatte, so war es ihm früher durchaus gestattet einen, ihm fremdem Herren anzusprechen und bei diesem anzufragen, ob er sich einer seiner Damen vorstellen könnte und diese dann zum Tanz aufzufordern würde.

Die Herren waren früher im allgemeinen sehr vorsichtig beim ersten Gespräch mit den Damen, denen sie sich gerade vorgestellt hatten. Man sprach daher meist wenig und dann auch nur über allgemeine Themen - denn alles andere hätte nur einen schlechten ersten Eindruck erweckt.

Regeln der Begrüßung

Im allgemeinen wurde früher ein Bekannter (z.B. auf der Strasse oder in einer großen Gesellschaft) immer zuerst von den Damen 'erkannt' (die Damen zuerst zu 'erkennen' wäre als aufdringlich gewertet worden). Erst wenn dies geschehen war, konnte man seinen Gruß entbieten und evtl. nähertreten. Wurde dabei eine Dame in Herrenbegleitung begrüßt, erwiderte natürlich auch der sie begleitende Herr den Gruß.

Die Art der Begrüßung war abhängig davon, ob man sich auf der Strasse traf (meist zog hier der Herr nur seinen Hut und die Dame neigte nur leicht den Kopf) oder ob man sich bei einem Empfang/Ball wiedersah (hier deutete der Herr eine leichte Verbeugung an und die Dame machte einen angedeuteten Knicks oder neigte leicht den Kopf).

Ob es damals auch gebräuchlich war sich die Hände zu schütteln kann nicht ganz eindeutig beantwortet werden. Es gibt Quellen nach denen das Händeschütteln absolut unüblich war (so wie es heute im englisch geprägten Kulturkreis immer noch ist): So sollen sich Herr und Dame nie die Hände gegeben haben und selbst zwischen Herren soll dies recht selten und eigentlich nur bei sehr engen Freunden vorgekommen sein. Da es sich aber um die USA handelt, wo viele Dinge häufig etwas unkonventioneller gehandhabt wurden als in anderen Ländern, sollte man hier am besten auf das Gegenüber achten und ggf. auf eine angebotene Hand entsprechend reagieren: Ein Herr wird also die angebotene Hand eines anderen Herren schütteln und bei der angebotenen Hand einer Dame wird er vermutlich einem Handkuss andeuten (denn schütteln erscheint mir sehr unpassend - was die Damen untereinander gemacht haben - großes Fragezeichen).

Regeln für den Umgang zwischen Dame und Herr

Da eine Dame früher weder allein einen Ballsaal betreten durfte, noch allein durch diesen gehen sollte, hatte sie im Ballsaal jederzeit eine (möglichst männliche) Begleitung.

Der Herr in der Begleiterrolle bot seiner Dame immer den angewinkelten rechten Arm an, wodurch die Dame daher immer an der rechten Seite des Herren ging.

Bei Gesellschaften kümmerten sich die Herren früher entsprechend intensiv um die Damen in ihrer Begleitung und um alle deren Belange und Wünsche (Getränke holen &c), wobei 'echte Gentlemen' die 'Kunst' beherrschten, dieses nicht wie eine lästige Verpflichtung aussehen zu lassen. Die Damen ließen ihren Begleitern im Gegenzug aber auch die entsprechende Aufmerksamkeit zu teil werden und machten ihm dadurch seine Aufgabe als Begleiter zu einem echten Vergnügen. Als echte 'Kavaliere der alten Schule' entschuldigten sich die Herren früher jederzeit bei den Damen - auch bei den kleinsten Missgeschicken. Dagegen wurden 'Zeichen großer Zuneigung', wie Zärtlichkeiten, Küsse &c, in keinem Fall in der Öffentlichkeit gezeigt, denn wie ein Etikette-Buch sagt: 'The ball-room was not designed for the purpose of making love.'

Lautes Lachen oder Sprechen, Affektiertheit, ungeniertes Anstarren, Stirnrunzeln sowie herablassende oder spöttische Blicke galten früher als sehr unschicklich für die Damen der (feinen) Gesellschaft.

Spezielle Regeln für den Herrn

Sobald sich früher eine Dame vom Tisch erhob, unterbrachen alle Herren am Tisch augenblicklich ihre Gespräche und erhoben sich ebenfalls. Sie setzten sich erst wieder, wenn die Dame (geleitet von ihrem Begleiter) den Tisch verlassen hatte. Wurde eine Dame an den Tisch geleitet, unterbrachen alle Herren am Tisch wiederum ihre Gespräche, erhoben sich und nahmen erst wieder Platz, wenn die Dame (unterstützt durch ihren Begleiter) am Tisch Platz genommen hatte.

Wenn ein Herr früher allein den Tisch (und/oder Raum) verlassen wollte, musste er zuerst seine Begleiterin in die Obhut eines anderen (befreundeten) Herren geben, der sich in seiner Abwesenheit um die Belange seiner Dame kümmerte. Erst dann durfte er den Tisch verlassen, aber nicht ohne sich vorher für seine Abwesenheit entschuldigt zu haben.

Wenn eine Dame den Raum verlassen wollte, musste ihr Herr sie hierbei jederzeit begleiten und beispielsweise vor dem 'Ladies Dressing-Room' so lange warten bis die Dame wieder erschien (oder sich mit ihr im 'Ladies Sitting-Room' verabreden). Anschließend kehrte die Dame in seiner Begleitung zu ihrem Sitzplatz wieder zurück.

Rauchen in der Anwesenheit von Damen war damals ein sehr schwerer Verstoß gegen die Etikette - und dies galt für drinnen wie auch draußen. Wenn früher ein Herr rauchen wollte, begab er sich dazu in den entsprechenden 'Rauchsalon'.

Regeln für den Empfang oder Ball

Früher trug man draußen immer Kopfbedeckungen (als notwendiger Schutz vor Sonne, Wind und Regen). Sobald man in geschlossene Räume kam, wurden diese aber möglichst rasch abgenommen. Beim Betreten des Empfangs oder Ballsaals trug man daher weder Hut noch 'Bonnet' (Haube) - geschweige denn, dass man damit tanzte!

Nach dem Eintreffen auf der Veranstaltung brachten die Herren früher im allgemeinen ihre Damen sofort zum 'Ladies Dressing-Room' (der für die Herren absolut tabu war) und gingen dann selbst zu den 'Gentlemen's Appartments'. Nachdem sich Damen und Herren für den Empfang/Ball dort hergerichtet hatten, traf man sich dann wieder im 'Ladies Sitting-Room' (heute wird sich dieses bei (Re-enactment-)Empfängen/Bällen vermutlich darauf verkürzen, dass der Herr zuerst die Garderobe seiner Dame abgibt und dann erst seine eigene).

Vom 'Ladies Sitting-Room' aus geleitete der Herr dann seine Dame an seinem rechten Arm zum Saal des Empfangs/Balls und hielt auch schon die 'Calling Card' bereit, die er dann der entsprechenden Person am Eingang überreichte. Erst nachdem das Paar laut angekündigt worden war durfte es eintreten. Bei Empfängen oder privaten Bällen ging man dann zuerst zum Gastgeber und erwies ihm und seiner Begleitung seine Referenz (Begrüßung: angedeuteter Knicks bzw. Verbeugung). Nach etwas 'Small Talk' promenierte man dann zu den anderen Gästen und schaute der weiteren Vorstellung zu oder begrüßte die schon anwesenden Bekannten.

Bei Bällen spielte üblicherweise die Kapelle beim Einzug der Gesellschaft in den Ballsaal eine 'Promenade Music' (einen Marsch oder etwas ähnliches.). Hier regelte dann auch der Tanzmeister die Abfolge des Eintritts in den Ballsaal und gab hierfür der Kapelle die entsprechenden Musikanweisungen.

Nach dem Eintreten war es früher für den Herren eine wichtige Aufgabe, seine männlichen Bekannten seiner Dame vorzustellen (und nicht umgekehrt - siehe oben), damit die Herren sich schon einmal in die Tanzkarte seiner Begleiterin eintragen konnten. Anschließend begab man sich gemeinsam zu einem Platz, wobei der Herr seiner Dame selbstverständlich beim Platz nehmen behilflich war bevor er sich selbst setzt.

Nach dem Ende der 'Promenade Music' eröffnete meist ein Signal der Kapelle (Trompetensignal) und/oder der Tanzmeisters das Tanzvergnügen.

Der Herr tanzte anschließend unbedingt die erste Runde mit seiner Begleiterin. Erst dann war es ihm gestattet auch mal eine andere Dame zum Tanz aufzufordern.

Der Herr verbeugte sich hierfür grundsätzlich in angemessenem Abstand und fragte: 'Würde die Dame mir die Ehre erweisen/die Freude machen, mir diesen Tanz zu gewähren?'. Erst wenn die Dame zugesagt hatte und aufgestanden war, wurde der rechte Arm angeboten. Die Dame führte dann meist einen angedeuteten Knicks aus, hakte sich am Arm des Herren ein und ging mit ihm zur Tanzfläche. Einige Etikette-Bücher empfehlen dringlich, sich für diese Aufforderung nicht bis zur Mitte des Musikstückes Zeit zu lassen.

Wenn früher eine Dame diese Aufforderung zum Tanz abgelehnte, nahm dies der Herr ohne eine Miene zu verziehen zur Kenntnis und verabschiedete sich mit aller gebotener Höflichkeit (Verbeugung) von der Dame. Eine Ablehnung war früher keine Schande (selbst, wenn diese später mit anderen Herren tanzte), denn die Damen waren damals nicht dazu verpflichtet sich und ihr Verhalten in irgendeiner Weise erklären zu müssen. Der damalige 'Galan' setzte vielmehr darauf, dass sein 'Gentlemen-haftes' Benehmen und seine gelassene Reaktion auf die Ablehnung der entsprechenden Dame evtl. doch noch imponieren würden.

Sowohl die Herren wie auch die Damen beherrschten früher (mehr oder weniger) alle gängigen Tänze eines Balls. Während des Tanzes wurden nur wenige, aber gut ausgeführte Tanzschritte gemacht, die Füße wurden nur kurz über dem Boden bewegt und die Körperbewegungen waren einfach aber graziös - es kam für den Herrn mehr darauf an die Partnerin gut zu führen als seine Muskelkraft beim Tanz zu demonstrieren.

Am Ende des Tanzes bot der Herr der Dame dann wieder den rechten Arm an um sie zu ihrem Platz zu geleiten. Wenn dieser Platz in der Zwischenzeit besetzt worden war, fragte der Herr die Dame, wo sie dann zu sitzen gedenke und führte sie dorthin. Nachdem die Dame Platz genommen hatte, bedankte sich der Herr für die ihm erwiesene Ehre des gerade gewährten Tanzes.

Zeigte damals eine Dame während eines Tanzes Zeichen der Erschöpfung, wurde sie augenblicklich zu ihrem Platz zurückgeleitet, denn bei der damaligen Damen-Unterbekleidung war immer mit Erschöpfungen (Ohnmacht &c) zu rechnen. Wenn dann schnell kein Ersatzpaar einspringen konnte, wurde der Tanzmeister informiert um für Ersatz oder Umgruppierungen z.B. bei einer Quadrille zu sorgen.

Waren auf einem Ball mehr Damen als Herren anwesend, so war es früher auch statthaft, dass zwei Damen miteinander tanzten. Es galt allerdings als ungehörig, wenn diese Damen vorher Angebote zum Tanz von Herren abgelehnt hatten (zwei Herren durften auch zusammen tanzen (!), allerdings nur wenn keine Damen im Raum anwesend waren).

Es galt früher auch als unpassend auf einem Ball mit einer Dame mehr als viermal zu tanzen, da man ihr sonst das (damals seltene) Vergnügen raubte, auch mal mit anderen Herren tanzen zu können.

Als Zeichen von gewöhnlichem Benehmen galt früher das Stampfen mit den Füßen im Takt der Musik und zum Rhythmus der Musik in die Hände zu klatschen. Das übermäßige Bewegen des Oberkörpers beim Tanz wurde auch als unangebracht angehen, denn insgesamt wurde früher langsamer und weniger 'sportlich' getanzt, um Schwitzen und Erschöpfung zu vermeiden. Die allgemeine Stimmung war von Freundlichkeit und Ruhe geprägt, so dass auch Drängelei und Hast als Zeichen eines schlechten Benehmens empfunden wurden. Auseinandersetzungen während eines Balles, z.B. wegen kleiner Rempeleien, bei Abweisung durch Damen, Eifersucht oder bei Missverständnissen in der Tanzfigur, wurden sorgfältigst vermieden (scheint jedoch ein Thema gewesen zu sein, da in jedem Etikette-Buch hierzu ein paar Zeilen zu finden sind) - gab es doch mal Grund zum Klagen regelten Tanzmeister oder Gastgeber dies schnell und diskret.


Quellen:
E. Howe, Complete ball-room hand book, containing upwards of three hundred dances, 1858.
L. De G. Brookes, Brookes on modern dancing, containing a full description of all dances, as practised in the ball room and at private parties, together with an essay on etiquette, 1867.
F. L. Clendenen, Prof. Clendenen's fashionable quadrille book and guide to etiquette, 1895.
W. Stephan, Das große Handbuch der Civil War Reenactor, 1997.


*Anmerkungen: Da ich kein Experte auf diesem Gebiet bin, gibt es hierzu bestimmt noch Korrekturen und Ergänzungen - schickt mir diese bitte - mit Angabe der jeweiligen Quelle - per E-Mail.

[Top]                                       [Back]                                       [Index]

 


[Recruiting]     [Webmaster]

Concept & Design: (c) Ulrich Sanft 2002/2003/2004/2005
[Impressum] [Haftungsausschluss/Disclaimer]